Comics haben mein Leben geprägt - zunächst als Leserin, heute überraschenderweise als Lehrende zum Thema künstliche Intelligenz. In der Volksschule verschlang ich die Asterix- und Micky-Maus-Hefte meines Vaters, begeistert davon, wie sie komplexe Geschichten durch Bilder zum Leben erweckten. Was ich damals nicht ahnte: Diese Faszination für visuelle Geschichten sollte Jahrzehnte später meine Art prägen, über KI zu sprechen.
Wenn ich heute vor Studierenden oder Kolleginnen und Kollegen stehe und über Künstliche Intelligenz spreche, stelle ich mir immer wieder dieselbe Frage: Wie zeige ich etwas, das eigentlich unsichtbar ist? KI ist keine Person, kein Roboter, keine magische Kraft - und doch brauchen wir Bilder, um über sie zu sprechen. In diesem Beitrag nehme ich Sie mit auf meine Reise der KI-Visualisierung, von meinen ersten unbeholfenen Versuchen mit KI-generierten Bildern bis hin zu einer überraschenden Lösung, die in meiner frühen Begeisterung für Comics wurzelt.
Die ersten Visualisierungsversuche
Meine Geschichte mit KI-Bildern begann im Frühjahr 2023 mit der Entdeckung von Midjourney. Endlich konnte ich selbst Bilder erstellen, ohne zeichnen zu können! Die Begeisterung war groß, aber die Ernüchterung kam schnell. Tagelang versuchte ich, stimmige Figuren für meine Präsentationen zu entwickeln - Figuren, die in verschiedenen Bildern wiedererkennbar sein sollten. Doch egal wie präzise meine Eingaben waren, jedes generierte Bild zeigte eine völlig neue Version meiner Figur. Das war frustrierend!
Doch die Technologie hat sich rasant weiterentwickelt. Heute, nur ein Jahr später, können Tools wie Midjourney nicht nur täuschend echte Bilder erzeugen - sie beherrschen sogar Feinheiten wie die richtige Anzahl von Fingern an einer Hand. Mit dem neuen "--ref"-Befehl lassen sich endlich auch stimmige Charaktere erzeugen. Ähnliche Möglichkeiten bietet beispielweise auch das Flux-Modell, das in verschiedenen kostenlosen Anwendungen zur Verfügung steht. Was monatelang unmöglich schien, geht jetzt fast von selbst. Diese Demokratisierung der Bildgenerierung eröffnet neue Perspektiven für die visuelle Kommunikation - nicht nur für Fachleute, sondern für alle, die ihre Ideen visuell kommunizieren wollen.
Die Problematik stereotyper KI-Darstellungen
Doch mit den neuen Möglichkeiten kam auch eine neue Herausforderung: Wie sollte ich KI darstellen? Zunächst schien die Antwort einfach. Überall sah man diese sauberen, weißen Roboterdarstellungen - Sie kennen sie sicher. Doch als ich einen LinkedIn-Post zu diesem Thema veröffentlichte, entwickelte sich eine überraschend intensive Diskussion. "Diese weißen KI-linge lösen bei vielen inzwischen Brechreiz aus", kommentierte jemand treffend. Was früher modern und technikaffin klang, gilt heute als Zeichen mangelnder Auseinandersetzung mit KI.
Die Wissenschaft bestätigt diese Kritik. Die "Better Images of AI"-Studie, basierend auf Workshops mit über 100 Expertinnen und Experten, warnt eindringlich vor stereotypen KI-Darstellungen. Besonders problematisch: die weißen Roboter-Visualisierungen, die nicht nur falsche Vorstellungen von KI fördern, sondern auch problematische Stereotype über Intelligenz und Ethnie verstärken können.
Das Dilemma mit der Vermenschlichung
Die "Better Images of AI"-Studie warnt nicht nur vor stereotypen Roboterdarstellungen, sondern auch grundsätzlich vor einer Vermenschlichung der KI. Doch genau hier offenbart sich ein spannendes Dilemma: Während die Forschenden vor anthropomorphen Darstellungen warnen, ist die Vermenschlichung eine Grundeigenschaft unseres Gehirns - wir sehen buchstäblich überall Gesichter, sogar in Wolken! Diese kognitive Neigung zur Anthropomorphisierung macht es besonders schwierig, KI völlig neutral darzustellen.
Dieses Spannungsfeld wird noch komplexer durch das Phänomen des "Uncanny Valley", das Masahiro Mori bereits in den 1970er Jahren beschrieben hat. Es zeigt einen bemerkenswerten Effekt unserer Wahrnehmung: Je menschenähnlicher eine künstliche Darstellung wird, desto positiver nehmen wir sie zunächst wahr - bis zu einem kritischen Punkt. Kommt die Darstellung der menschlichen Gestalt sehr nahe, weist aber subtile Abweichungen auf, kippt unsere Wahrnehmung ins Negative. Diese fast, aber nicht ganz perfekte Menschenähnlichkeit löst ein Gefühl des Unheimlichen aus, das erst bei absoluter fotografischer Realität wieder verschwindet - ein Niveau, das in der alltäglichen KI-Visualisierung kaum zu erreichen ist. Für die praktische Gestaltung von KI-Darstellungen bedeutet dies, dass bewusst stilisierte, abstrahierte Darstellungen oft die bessere Wahl sind, da sie das "Tal des Unheimlichen" elegant umgehen, indem sie gar nicht erst versuchen, perfekte Menschenähnlichkeit zu erreichen.
Was wie eine theoretische Überlegung klingt, hat ganz praktische Auswirkungen auf unsere Arbeit mit KI. Die Art und Weise, wie wir KI darstellen, hat großen Einfluss darauf, wie Menschen sie verstehen und akzeptieren. Eine zu menschliche Darstellung kann falsche Erwartungen wecken, eine zu technische abschrecken.
Mein Weg aus dem Dilemma
Nach vielen Experimenten fand ich schließlich einen Ansatz, der für mich funktioniert: Comic-Roboter mit ausdrucksstarken Augen und oft leicht verwirrtem Blick. Sie sind eindeutig keine Menschen, aber auch keine sterilen Technik-Ikonen. Ihr verspielter, manchmal überraschter Gesichtsausdruck schafft eine sympathische Distanz zur Technik. Die positive Resonanz meiner Studierenden, Lehrenden und der LinkedIn-Community bestätigt das: Diese Art der Darstellung macht KI zugänglich, ohne falsche Vorstellungen zu wecken.
Ein besonderer Moment war, als eine Studentin nach einer Präsentation zu mir kam und sagte: Die verwirrten Robotergesichter zeigen genau, wie ich mich manchmal mit KI fühle! Genau das ist der Punkt: Meine Comic-Figuren laden zum Schmunzeln ein und machen gleichzeitig komplexe Technik greifbar.
Fazit: Eine Frage der Balance
Die Visualisierung von KI ist mehr als eine ästhetische Entscheidung - es ist eine Gratwanderung zwischen Zugänglichkeit und Verantwortung. Mein augenzwinkernder Weg über Comic-Roboter ist nur eine von vielen möglichen Lösungen. Aber er zeigt, dass wir kreative Wege finden können, KI darzustellen, ohne in überholte Stereotypen zu verfallen oder falsche Erwartungen zu wecken. Manchmal braucht es eben einen verwirrten Comic-Roboter, um Klarheit in die komplexe Welt der Künstlichen Intelligenz zu bringen.
MEINE LINKEDIN-BEITRÄGE
Die folgenden LinkedIn-Beiträge habe ich seit dem letzten Newsletter veröffentlicht und sind auch ohne LinkedIn-Mitgliedschaft frei zugänglich:
Sollten wir KI als Roboter darstellen? Diese Frage beschäftigt mich bei jeder Präsentation aufs Neue. Die Antwort ist komplexer als man denkt!
Handreichung: Zukunftsfähige Prüfungen in Zeiten von KI
Wie gestalten wir faire Prüfungen im KI-Zeitalter? Ein neuer Leitfaden der HafenCity Universität macht folgende Vorschläge für KI-gerechte Prüfungsformate.